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Der Hausarzt ist die erste Anlaufstelle – auch bei Sucht­problemen

Ausgabe Nr. 92
Mai. 2012
Hausärztinnen und Hausärzte

Forum Jürg Bollhalder. Als ich angefragt wurde, dieses Forum zum Thema Hausarzt und Suchtmedizin zu schreiben, hat mich das einigermas­sen erstaunt. Schliesslich gibt es auf diesem Gebiet weitaus erfahrenere Kollegen als mich. Das Elend der offenen Drogenszenen der 1990er-Jahre kenne ich nur vom Hörensagen und aus Fernseh- und Zeitungsberichten. Während meines Medizinstudiums Ende der 1990er-Jahre an der Uni Basel war das Thema Suchtmedizin praktisch inexistent. Auch als Assistenzarzt hatte ich mit Suchtthemen nur am Rande zu tun. Dies wohl auch darum, weil suchtkranke Patienten meinen Chefs eher suspekt waren und man sie möglichst schnell entliess. Ganz nach dem Motto «Aus den Augen, aus dem Sinn». Immerhin konnte ich aber während eines Jahres in der Psychiatrie erste Erfahrungen im Umgang mit Suchtpatienten sammeln.

In der Folge startete ich frisch motiviert meine Praxistätigkeit. Bald wurde ich nicht nur mit den somatischen, sondern auch mit den sozialen Aspekten von Suchterkrankungen konfrontiert. Zum Glück konnte ich damals auf einen versierten, erfahrenen Kollegen zählen, der mir immer wieder wertvolle Tipps geben konnte.

Heute arbeite ich als Leiter einer Gruppenpraxis in Uri. Als Auswärtiger, der vorher nie in dieser Gegend gearbeitet hatte, war ich am Anfang stark damit beschäftigt, mich mit den lokalen Strukturen vertraut zu machen. Wen kann ich fragen, wenn ich ein Problem habe? Wen kann ich um Mithilfe bei der Betreuung eines Patienten bitten? Es ging also primär um Vernetzung mit dem bestehenden System. Genau zu jener Zeit wurde an der Jahresversammlung der kantonalen Ärztegesellschaft das Projekt FOSUMIS (Forum Suchtmedizin Innerschweiz) vorgestellt. Dieses Projekt hat die Verbesserung der suchtmedizinischen Versorgung der Innerschweizer Bevölkerung zum Ziel, einerseits durch die Stärkung der professionellen Kompetenz der im Suchtbereich tätigen Fachpersonen, andererseits durch die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen medizinischen und nichtmedizinischen Fachpersonen bei der interdisziplinären Behandlung von suchtkranken Menschen. Es ging also auch hier primär um Vernetzungsarbeit oder moderner: um integrierte Versorgung. Um sein Ziel zu erreichen, bietet FOSUMIS in den einzelnen Kantonen suchtspezifische Fortbildungen an sowie ein internetbasiertes Nachschlagewerk («Handbuch») und einen E-Mail-Auskunftsdienst. Ostschweizer Kollegen kennen das alles natürlich längst, wurde FOSUMIS doch nach dem Vorbild von FOSUMOS, dem Forum Suchtmedizin Ostschweiz, gegründet.

Als Hausarzt bin ich meist die erste Anlaufstelle bei Problemen meiner Patienten. Wenn diese auch bei heiklen Problemen wie Suchterkrankungen offen mit mir reden, ehrt mich das sehr. Und dann möchte ich natürlich auch kompetent helfen können. Im Studium und als Assistenzarzt lernt man auf diesem Gebiet wenig. Meine Mitarbeit in der Projektgruppe FOSUMIS und in der regionalen Gruppe Uri hat mir aber schon viele interessante Gespräche und Ideen gegeben. Darum: Hausärzte und Suchtmedizin? Ja sicher!


Jürg Bollhalder,
Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, Altdorf UR

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